Carl Maria von Weber
Der Freischütz
Ouvertüre
1810 erschien beim Verlag Göschen in Leipzig der erste Band des „Gespensterbuches“, einer Sammlung von Geister- und Spukgeschichten von August Apel und Friedrich August Schulte, die Carl Maria von Weber wohl bereits im selben Jahr in die Hände gefallen ist. Gleich die erste Geschichte daraus, „Der Freischütz. Eine Volkssage“, stach ihm als geeigneter Opernstoff ins Auge. Jedoch sollten sieben Jahre vergehen bis er die Idee gemeinsam mit Friedrich Kind als Librettisten (zunächst unter anderem Titel) wieder aufgriff. Im Mai 1818 kündigte er in einem Brief voller Optimismus an: „Meine Oper, die Jägersbraut, ist zur Hälfte entworfen und soll künftigen Winter in die Welt treten.“ Vielfältige Verpflichtungen jedoch verzögerten die Vollendung. Mit dem neuerbauten, am 26. Mai 1821 mit Goethes „Iphigenie auf Tauris“ eingeweihten, Königlichen Schauspielhaus Berlin (dem heutigen Konzerthaus) wurde schließlich eine geeignete Räumlichkeit für die Uraufführung gefunden, die am 18. Juni 1821 mit größtem Erfolg stattfand.
„Der Freischütz“ gilt als die erste Romantische Oper der Musikgeschichte. (Frühe Bühnenwerke Richard Wagners wie „Der fliegende Holländer“ und „Tannhäuser“ bieten spätere prominente Beispiele der Gattung.)
Themenkreise wie Natur, Übernatürlich-Geisterhaftes, mittelalterliche sowie folkloristische Stoffe waren beliebte inhaltliche Merkmale, so auch überwiegend im „Freischütz“. Zur Beziehung zwischen diesen und den
im „Freischütz“ verwendeten musikalischen Mitteln liest man in zeitgenössische Abhandlungen: „Es gibt wenig Opern, deren Musik sich den Worten so genau anschließt; man sollte meinen, sie wären beide für einander geschaffen und so mit einander verwebt, dass man sie in dem Gedanken nicht von einander zu trennen vermag.“
Eben diese musikalisch-textlichen Verknüpfungen und Stimmungen sind auch bereits in der Ouvertüre angelegt. So erklingt schon bald eine zart-sanfte, einfache Hörnermelodie in C-Dur, die für die Gutherzigkeit
des Jägers Max steht. Deutlich vernehmbar folgt dann das drohende Unheil, das Dämonische (drängend von tief unten aufsteigende Tonfolgen, Synkopen), das durch Kaspar bzw. Samiel verkörpert wird (c-Moll). Eine
klagende Melodie der Klarinette (Max singt später darauf: „O dringt kein Strahl durch diese Nächte?“) gebietet dem Treiben des Bösen zunächst Einhalt. Die Redlichkeit und das Gute in Gestalt der Liebe Agathens zu
Max vermag jedoch erst am Ende die Dämonen zu besiegen. Der mühsame Weg, den es bis dahin zu beschreiten gilt, wird hier musikalisch durch eine Verquickung der beiden konträren Themen dargestellt. Zum Abschluss jubelt schneller und fröhlicher als je zuvor das Gute (Agathes melodisches Thema), eingeleitet durch donnernde Akkorde im Orchestertutti.