Felix Mendelssohn Bartholdy
Meeresstille und glückliche Fahrt
Konzert-Ouvertüre D-Dur, op. 27
Johann Wolfgang von Goethe
Meeresstille
Tiefe Stille herrscht im Wasser,
Ohne Regung ruht das Meer,
Und bekümmert sieht der Schiffer
Glatte Fläche ringsumher.
Keine Luft von keiner Seite!
Todesstille fürchterlich!
In der ungeheuern Weite
Reget keine Welle sich.
Glückliche Fahrt
Die Nebel zerreißen,
Der Himmel ist helle,
Und Äolus löset
Das ängstliche Band.
Es säuseln die Winde,
Es rührt sich der Schiffer.
Geschwinde! Geschwinde!
Es teilt sich die Welle,
Es naht sich die Ferne;
Schon seh ich das Land!
Zum Auftakt unseres Konzertes nehmen wir Sie mit auf eine Schiffsreise mit Mendelssohns Konzert-Ouvertüre „Meeresstille und glückliche Fahrt“.
Mendelssohn hatte das Glück in Verhältnissen aufzuwachsen, die es ihm ermöglichten sein Talent rasch zu entfalten. Zeitlebens blieben ihm wirtschaftliche Sorgen erspart, denn sein Vater hatte die Mittel dem jungen Studiosus eine umfassende Ausbildung und sogar ein eigenes Orchester zu Übungszwecken zur Verfügung zu stellen. Mendelssohn beherrschte vier Fremdsprachen und war in Philosophie, Geschichte und Literatur hochgebildet. Im Rahmen dieser Erziehung wurde er 1821, als Zwölfjähriger, Johann Wolfgang von Goethe vorgestellt, der den Knaben als wohlwollender Freund fördern sollte. Goethes Gedichtpaar „Meeresstille“ und „Glückliche Fahrt“ inspirierten dann 1832 Mendelssohn, wie 1814 auch schon Beethoven, zu seiner Konzert-Ouvertüre.
Während liegende Streicherakkorde zu Beginn der Ouvertüre die regungslose Stille des Wassers suggerieren, kündigt sich mit Flötentriolen eine
sanfte Brise an. Das Wellenmotiv in den Streichern leitet die nun folgende „glücklichen Fahrt“ ein, Trompentenfanfaren verkünden schließlich die glückliche Ankunft des Schiffes. Aufführungsstatistiken bezeugen, dass mit 39 Aufführungen allein im Leipziger Gewandhaus, dessen Musikalischer Leiter Mendelssohn war, „Meeresstille und glückliche Fahrt“ im 19. Jahrhundert Mendelssohns wohl beliebteste Ouvertüre war. Erst mit dem Jahrhundertwechsel büßte sie zugunsten der „Hebriden-Ouvertüre“ an Popularität ein.
Svenja Ingensand