Sommer­konzerte 2018

Unter der Leitung von Marta Gardolińska

Mittwoch, 20. Juni 2018
19:30, Kuppelsaal, TU Wien

Donnerstag, 21. Juni 2018
19:30, Kuppelsaal, TU Wien

Richard Wagner

Die Meistersinger von Nürnberg

WWV 96, Ouvertüre

Antonín Dvořák

Cellokonzert

h-Moll, op. 104

  1. Allegro
  2. Adagio, ma non troppo
  3. Finale. Allegro moderato
Thomas Auner, Violoncello

Johannes Brahms

Sinfonie Nr. 3

F-Dur, op. 90

  1. Allegro con brio
  2. Andante
  3. Poco allegretto
  4. Allegro

Galerie

Sommerkonzerte 2018

Richard Wagner

Die Meistersinger von Nürnberg

Ouvertüre

Vor genau 150 Jahren – am 21. Juni 1868 – gelangte Wagners dreiaktige Oper „Die Meistersinger von Nürnberg“ unter der Leitung von Hans von Bülow im Münchener Nationaltheater zur Uraufführung. Doch bis dahin vergingen Jahre einer wechselvollen Entstehungsgeschichte.

Im Rahmen eines Kuraufenthaltes in Marienbad keimten bei Wagner bereits 1845 erste Ideen zur Oper auf. Angedacht war von Beginn an eine zum tragischen Ende des „Tannhäuser“ kontrastierende heitere Materie im Sinne des antiken Satyrspiels. Erst 1861 machte sich Wagner jedoch wieder ans Werk, war er doch – wie häufiger in seinem Leben – in Geldnöten und auf der Suche nach einem Opernstoff, der ihm – möglichst rasch realisierbar – Erfolg bringen sollte. Nach Vorlegen eines konkreteren Entwurfs mit einem ansehnlichen Vorschuss vom Mainzer Verlag Schott bedacht, war Wagner zunächst „gerettet“ und vollendete in Paris völlig zurückgezogen in 30 Tagen den Text zur Oper. Der eigentlichen Komposition widmete er sich ab Februar 1862 in einem am Rhein gelegenen Landhaus in Wies­baden-Biebrich.

Die Ouvertüre, die Wagner selbst als Vorspiel bezeichnete, entstand zwischen Palmsonntag und Ostern (dem 13. und 20. April) und ging unter seiner Leitung bereits im selben Jahr in Leipzig über die Bühne. Lange vor Vollendung der gesamten Oper also, die ihm erst durch die Förderung König Ludwigs II. von Bayern ermöglicht werden sollte.

Die Handlung unterscheidet sich wesentlich von jenen der meisten anderen Musikdramen Wagners mit überwiegend mythologischem Hintergrund, denn er greift den historischen Stoff des Meistersinger-Wettsingens reformatorischer Zeit in Nürnberg auf, inklusive dazugehöriger Persönlichkeiten wie dem berühmtesten der Meistersinger-Zunft, dem Schuster­meister und Dichter Hans Sachs. In der Überzeichnung der Figur des Beckmesser karikiert Wagner gleichzeitig die Auswüchse der geltenden Bräuche, das pedantische Regelwerk der Meistersinger.

Musikalisch bedient sich Wagner häufig altmeisterlich-polyphoner Strukturen (etwa in Form einiger Fugen), so auch bereits im Hauptthema des Vorspiels, wodurch das Stück der Handlung gemäß gewollt archaische Züge erhält, die auch die gesamte Oper prägen. Feierliche Atmosphäre generiert das festliche C-Dur, Marschcharakter steht neben eingängigen „Volks“-Melodien und Chorälen. Diese gewisse, dem gesamten Opus innewohnende, Ambivalenz nimmt das Vorspiel vorweg, oder wie Friedrich Nietzsche formulierte: „Was für Säfte und Kräfte, was für Jahreszeiten und Himmelsstriche sind hier gemischt! Das mutet uns bald altertümlich, bald fremd, herb und überjung an, das ist ebenso willkürlich als pomphaft-herkömmlich, das ist nicht selten schelmisch, noch öfter derb und grob, das hat Feuer und Mut und zugleich die schlaffe falbe Haut von Früchten, welche spät reif werden. […] Alles in allem keine Schönheit, kein Süden, nichts von südlicher Helligkeit des Himmels, nichts von Grazie, kein Tanz, kaum ein Wille zur Logik; eine gewisse Plumpheit sogar, […] etwas Willkürlich-Barbarisches und Feierliches, ein Geflirr von gelehrten und ehrwürdigen Kostbarkeiten und Spitzen …“

Antonín Dvořák

Cellokonzert

in h-Moll, op. 104

Dvořák beschrieb einst das Violoncello als „ein Stück Holz, das oben kreischt und unten brummt“. Eine wohl nicht ganz ernst gemeinte Aussage, schuf doch Antonín Dvořák mit seinem Konzert für Violoncello op. 104 einen Höhepunkt der Cello-Literatur des 19. Jahrhunderts. Johannes Brahms soll zu dem Werk Folgendes geäußert haben: „Warum in aller Welt habe ich nicht gewusst, dass jemand ein Cellokonzert wie dieses schreiben kann? Hätte ich es nur gewusst, hätte ich längst eines geschrieben.“

Das Konzert ist das siebente und letzte jener Werke, die Dvořák während seines dreijährigen Aufenthaltes in Amerika schuf. Im Juni 1891 hatte ihm Jeanette Thurber, die Präsidentin des New Yorker National Conservatory of Music, die Stelle des künstlerischen Direktors und Kompositions­professors an ihrem Institut angeboten. Dvořák nahm die Einladung nach einigem Zögern an und reiste am 15. September 1892 nach New York ab.

Zu Beginn seines Aufenthaltes in Amerika war der Komponist von den vielen Eindrücken begeistert und nahm die neuen musikalischen Anregungen mit Freude auf, wie sein erstes hier geschaffenes Werk, die Sinfonie in e-Moll „Aus der Neuen Welt“, beeindruckend aufzeigt. Das Cellokonzert hingegen, welches am Ende dieser Periode steht, ist von wachsendem Heimweh und frühen Erinnerungen geprägt. Hier finden sich nur wenige Anklänge der typisch amerikanischen Merkmale, der böhmische Tonfall hingegen ist markant und nicht zu überhören. In einem Brief schreibt Dvořák in betrübter Stimmung: „Könnte ich so sorglos arbeiten wie in Vysoká, wäre ich schon längst fertig. Aber hier geht es nicht. Montag habe ich in der Schule zu tun, Dienstag habe ich frei, die übrigen Tage bin ich auch mehr oder weniger beschäftigt, kurz: ich kann meiner Arbeit nicht so viel Zeit widmen, und wenn ich wieder könnte, habe ich keine Lust usw., kurz: das beste wäre, in Vysoká zu sein, dort lebe ich wieder auf, ruhe aus und bin glücklich. Wäre ich doch wieder dort.“ Obwohl ihm die Komposition schwer von der Hand ging, war sie in nur drei Monaten am 9. Februar 1895 vollendet.

Während der Komposition des Adagios erfuhr Dvořák von der schweren Erkrankung seiner Schwägerin und einstigen Jugendliebe Josefína Kounicová-Čermáková. Diese Nachricht veranlasste den Komponisten, ihr Lieblingslied „Laßt mich allein in meinen Träumen geh’n“ aus seinen „Vier Liedern nach Texten von Ottilie Malybrock-Stieler“ op. 82 in den langsamen Mittelsatz des Cellokonzertes einzubauen.

Ende April 1895 kehrten Dvořák und seine Frau wieder nach Böhmen zurück. Unmittelbar nach ihrer Ankunft in der Heimat änderte er aus Anlass des Todes seiner Schwägerin den bereits vollendeten letzten Satz. Gegen Ende des Finales fügte er 60 Takte ein und zitiert hier nochmals, kurz vor dem Ausklang des Satzes, das Thema ihres Lieblingsliedes.

Dvořák widmete das Konzert für Violoncello op. 104 seinem Freund, dem damals besten böhmischen Cellisten, Hanuš Wihan, der bereits einige seiner Werke zur Uraufführung gebracht hatte. Die Widmung des Cello-Konzertes im Erstdruck nahm Dvořák später zurück, da die beiden Künstler in Streit über die Kadenz gerieten. Hanuš Wihan hatte einige Retuschen des Solo­parts im ersten Satz vorgeschlagen und wollte eine eigene virtuose Solokadenz in den letzten Satz des Konzertes einfügen. Dvořák akzeptierte zwar die kleineren Eingriffe, lehnte jedoch die Kadenz kategorisch ab. Denn diese sollte gerade an jene Stelle gesetzt werden, die im Zusammenhang mit Josefínas Tod eine besondere Bedeutung und einen eigenen Inhaltssinn hat.

Die Uraufführung des Konzertes fand während Dvořáks neunter und zugleich letzten Reise nach England statt. Der Komponist selbst leitete die Aufführung mit dem Orchester der Philharmonic Society am 19. März 1896 in der Queen’s Hall in London. Den Solopart übernahm nicht Hanuš Wihan, sondern der junge Cellist Leo Stern.

Das Konzert für Violoncello in h-Moll ist in traditioneller Dreisätzigkeit komponiert. Trotz sinfonischer Anlage mit großem Orchesterapparat steht stets das Violoncello klanglich im Zentrum und muss nie gegen eine übermächtige Klangmasse ankämpfen, zugleich tritt es in Dialog mit einzelnen Instrumenten (Flöte, Horn, Klarinette). Antonín Dvořák verbindet in diesem weltberühmten Werk meisterhaft Virtuosität und Sinfonik.

Johannes Brahms

Sinfonie Nr. 3

in F-Dur, op. 90

„Welch herrliche Melodien … das Herz geht einem dabei auf“, schwärmte Antonín Dvořák über Johannes Brahms’ dritte Sinfonie. Auch Clara Schumann schrieb im Februar 1884 begeistert über die Sinfonie: „Welch ein Werk, welche Poesie, die harmonischste Stimmung durch das Ganze, alle Sätze wie aus einem Gusse, ein Herzschlag, jeder Satz ein Juwel! – Wie ist man von Anfang bis zu Ende umfangen von dem geheimnisvollen Zauber des Waldlebens! Ich könnte nicht sagen, welcher Satz mir der liebste? Im ersten entzückt mich schon gleich der Glanz des erwachten Tages, wie die Sonnenstrahlen durch die Bäume glitzern, alles lebendig wird, alles Heiterkeit atmet, das ist wonnig! Im zweiten die reine Idylle, belausche ich die Betenden um die kleine Waldkapelle, das Rinnen der Bächlein, Spielen der Käfer und Mücken – das ist ein Schwärmen und Flüstern um einen herum, daß man sich ganz wie eingesponnen fühlt in all die Wonne der Natur. Der dritte Satz scheint mir eine Perle, aber es ist eine graue, von einer Wehmutsträne umflossen; am Schluß die Modulation ist ganz wunderbar. Herrlich folgt dann der letzte Satz mit seinem leidenschaftlichen Aufschwung: das erregte Herz wird aber bald wieder gesänftigt, zuletzt die Verklärung, die sogar in dem Durchführungs-Motiv in einer Schönheit auftritt, für die ich keine Antwort finde.“

Eigentlich ist die dritte Sinfonie von Johannes Brahms absolute Musik. Ein Werk also, das auf eine programmatische Aussage verzichtet. Und doch ruft die Musik die unterschiedlichsten Assoziationen bei ihren
Hörern hervor. Clara Schumann verknüpft sie, wie oben zu lesen war, unter anderem mit romantischen Beschreibungen der Natur.

Die Kernidee der Sinfonie Nr. 3 lässt sich auf ein kleines Motiv von drei Tönen reduzieren. In der raffinierten Kombination, Umspielung und Variation zeigt sich die Genialität des Komponisten Johannes Brahms.

Wie es bereits in dessen zweiter Sinfonie der Fall war, wird auch die dritte Sinfonie von einem Grundmotiv zu Beginn des ersten Satzes bestimmt.

Für diese Technik, vor den eigentlichen Beginn der Musik ein aus wenigen Tönen bestehendes Motiv zu setzen – wie Ludwig van Beethoven es bereits anhand der zwei Tutti-Schläge zu Beginn seiner Sinfonie Nr. 3, der „Eroica“, getan hatte – führte Musiktheoretiker Hugo Riemann den Begriff „Vorhang“ ein.

Im Fall von Brahms’ dritter Sinfonie handelt es sich um ein f’-as’’-f’’-Motiv in den Bläsern; es erklingt im Verlauf des ersten Satzes mehrfach und markiert die Wechsel von einem Formabschnitt des Satzes zum nächsten. Mit dem Prinzip, dass ein auf ein Minimum verdichtetes Motiv die Struktur eines ganzen Satzes zusammenhält, übernimmt Brahms ein Vorbild der Klassik und speziell Beethovens, so wie dessen Sinfonie Nr. 5.

Der zweite Satz, das Andante, ist dreiteilig (A-B-A’) angelegt. Die Übergänge zwischen den drei Teilen finden durch Variation und Intensivierung des Hauptthemas sowie (im Fall des Übergangs vom B-Teil zum A’-Teil) durch Dehnung und einen Wechsel in der Phrasierung unmerklich statt.

Im dritten Satz – „Poco Allegretto“ – stilisiert Brahms eine einfache volks­lied­hafte Melodie durch kleine Veränderungen zu einem „Valse triste“ mit harmonischen Effekten und einer zutiefst romantischen Orchestrierung. Dieser Satz gehört zu jenen Musikstücken klassischer Musik, die sich weit über den Freundeskreis des Genres allgemeiner Beliebtheit erfreuen. Sicherlich aus diesem Grund wird das Stück auch von Musikern aus dem Bereich des Jazz und anderer musikalischer Stilrichtungen immer wieder gerne in unterschiedlichsten Arrangements aufgenommen, so u. a. von Bipolar, Joshua Davis, Santana und Dave Matthews.

Der vierte Satz beginnt mit einem mysteriös ansetzenden, aber energisch vorwärts strebenden Thema. Durch dessen Entwicklung wird der Satz ein im Hinblick auf die Entwicklung der Dynamik mindestens ebenbürtiger Gegenpol zum Kopfsatz der Sinfonie. Das Thema besteht aus mehreren Elementabschnitten: nach dem Satzbeginn einer choralartigen Melodie, sowie einem Nachsatz mit schroff gezackten Notenfiguren. Gleichzeitig lässt Brahms durch Zitate aus den vorausgehenden Sätzen den bisherigen Verlauf der Sinfonie Revue passieren: Während sich das Überleitungsthema aus dem zweiten Satz und das Seitenthema aus dem dritten Satz ableiten lassen, erklingt am Schluss des Finales das Haupt­thema des ersten Satzes.

Auch bei diesem letzten Satz bleiben Assoziationen zur Musik nicht aus. So schrieb Joseph Joachim zum vierten Satz im Januar 1884: „Der letzte Satz Deiner Sinfonie wirkt noch mächtig nach: ich fand ihn eben so tief wie originell in der Konzeption, womit ich nicht sagen will, daß die anderen Sätze seiner unwürdig seien: nur mich berührt er am stärksten. Und sonderbar, so wenig ich das Deuteln auf Poesie in der Musik in der Regel liebe, so werde ich doch bei dem Stück (und nur bei wenigen anderen in dem ganzen Musikbereich geht es mir ebenso) ein bestimmtes poetisches Bild nicht los: Hero und Leander! Ungewollt kommt mir, beim Gedanken an das 2te Thema in C dur [T. 52 ff.], der kühne, brave Schwimmer, gehoben die Brust von den Wellen und der mächtigen Leidenschaft vors Auge, rüstig, heldenhaft ausholend, zum Ziel, zum Ziel, trotz der Elemente, die immer wieder anstürmen! Armer Sterblicher – aber wie schön und versöhnend die Apotheose, die Erlösung im Untergang.“

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